Als Mitglied der Wirtschaftsjunioren nehmen meine Frau und ich regelmäßig an Betriebsbesichtigungen interessanter Firmen in unserer Region teil. Die Besichtigungen sind meistens sehr informativ und inspirierend. Gestern besuchten wir die Firma Berger in Memmingen. Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit über 2000 Mitarbeiter. Das Werk in Memmingen, welches wir besichtigten, ist mit rund 700 Mitarbeitern das Größte und der Stammsitz der Holding.
Begrüßt und geführt wurden wir von Oswald Berger. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Alois Berger GmbH & Co. KG High-Tech-Zerspanung. Oswald Berger ist der Sohn vom Gründer Alois Berger, welcher als Vertriebener nach dem Krieg die Firma in Neugablonz gründete. Alois Berger hat sechs Kinder und alle sind sie zu gleichen Teilen an der Firma beteiligt. Jeder aber in einem anderen Aufgabenbereich, was nach Aussage von Oswald Berger unabdingbar ist, da ausufernde Konflikte unter Geschwistern sonst an der Tagesordnung stünden.
Hauptsächlich produziert die Firma Berger Präzisionsteile für die Automobilzulieferindustrie. Wobei Präzision in diesem Fall keine Marketingfloskel ist. Die Teile müssen bis auf wenige µ (gesprochen mü) genau sein (1000 µm = 1 mm). Die Fertigungsanlagen sind beeindruckend. Millionenschwere Apparate reihen sich in den Werkshallen aneinander. Die komplexe Technik, die hinter jeder Anlage steckt, lässt sich dabei für Laien nur erahnen.
Zum Wachstum verpflichtet
Eine Eigenart dieser Branche ist es, das die Auftraggeber sinkende Stückkosten bzw. Preise in Folgeaufträgen voraussetzen. Dementsprechend muss die Produktivität immer weiter vorangetrieben werden. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kapazitäten wiederum müssen mit weiteren Aufträgen ausgelastet werden. Aus diesem Grund ist die Firma Berger zum permanenten Wachstum verpflichtet, wenn sie konkurrenzfähig bleiben möchte.
Intelligente Firmenübergabe
Alois Berger war es schon früh bewusst, dass eine vernünftige Übergaberegelung für den Fortbestand seiner Firma unerlässlich ist. Ihm ging es dabei vor allem darum, seinen Kindern die Möglichkeit zu bieten, eine vernünftige Kapitaldecke aufzubauen, damit die Erbschaftssteuer das Unternehmen nicht aus den Händen der Familie reißt. Aus diesem Grund wurden Firmenanteile frühzeitig an seine Kinder übergeben und die Verantwortungsbereiche aufgeteilt.
Erfolg kommt nicht von ungefähr
Vor und nach der Führung durch die Werkshallen stellte sich Herr Berger den neugierigen Fragen der Wirtschaftsjunioren. Besonders angenehm ist aufgefallen, wie bodenständig und nahbar Herr Berger geblieben ist, obwohl seine Firma jährlich dreistellige Millionenbeträge umsetzt. Beinahe bei jedem Satz blitzte aber sein scharfer Unternehmerverstand durch. Man konnte förmlich spüren, wie viele richtige Entscheidungen auf Basis von Sachverstand und ökonomischer Ratio getroffen werden mussten, um eine solche Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Besinnung auf die eigenen Stärken
Auch wenn Herr Berger die Augen immer offen hat und er durch den Wachstumszwang ständig Ausschau nach neuen Märkten hält, so betrachtet er als wesentlichen Erfolgsfaktor die Konzentration auf die eigenen Stärken. Wenn man weiß, worin man ein bisschen besser ist als die Konkurrenz, weiß das in der Regel auch der Kunde. Denn bei Bauteilen, die unvorstellbaren Drücken ausgesetzt sind (bis zu 2500 Bar bei LKW Dieseleinspritzung), spielt Qualität häufig eine wichtigere Rolle, als der günstigere Preis. Herr Berger ist davon überzeugt, dass der Qualitätsanspruch seiner Kunden in Zukunft noch steigen wird, da noch nie so viele Fahrzeuge in die Werkstätten zurückgerufen wurden, wie in den letzten Jahren.
Fachkräftemangel
Häufig klagen unsere Kunden aus dem Handwerk ihr Leid über den demografisch bedingten Fachkräftemangel. Herr Berger führt den Fachkräftemangel aber nicht nur auf zu wenig Nachwuchs zurück. Ein weiteres großes Problem sieht er im Zeitgeist, in welchem jeder Karriere machen „muss“ und ein Lebenswerk als „einfache“ Fachkraft gesellschaftlich keine Anerkennung mehr findet. Die Folge ist, dass viele Fachkräfte bereits kurz nach der Ausbildung eine Weiterbildung zum Meister oder Techniker anstreben. In diesem Zusammenhang ist die Bemerkung von Herrn Berger erwähnenswert, dass ein Ingenieur bei der Firma Berger in der Regel genauso viel verdient, wie eine Fachkraft.
Kalte Progression ist besonderes Ärgernis
Nicht nur im Handwerk kann die Auftragslage stark variieren. Damit die Firma Berger Auftragsspitzen kompensieren kann, müssen Mitarbeiter Überstunden leisten. Viele rutschen dabei in die kalte Progression, weshalb der Anreiz für Mitarbeiter trotz Zulagen Überstunden zu leisten, sehr gering ist. Vor allem im Anbetracht des Fachkräftemangels und den daraus resultierenden Anspruch, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist die kalte Progression für Herrn Berger ein besonderes Ärgernis. Wer mehr leistet, muss auch mehr in der Tasche haben. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, wird aber durch die aktuelle Gesetzgebung noch immer ad absurdum geführt.
Danke!
Wir möchten uns an dieser Stelle für die interessante Betriebsbesichtigung bedanken. Die Firma Berger ist ein innovatives und erfolgreiches Unternehmen, welches uns in einigen Bereichen inspiriert hat. Dank auch an die Wirtschaftsjunioren, die regelmäßig Betriebsbesichtigungen für ihre Mitglieder organisieren.
Prinzipiell möchten wir jedem Unternehmer ans Herz legen, Möglichkeiten von Betriebsbesichtigungen oder Tagen der offenen Tür zu nutzen. Selbst wenn die Unternehmen thematisch mit dem eigenen Betrieb nichts zu tun haben, können manch vorgestellte Prozesse oder Sichtweisen für das eigene Unternehmen sehr inspirierend sein. Zumindest haben wir diese Erfahrung schon häufiger gemacht.